Autor: Frank Meyer (Seite 2 von 2)

Call for Contributions (Deutsch)

Kosmologie(n) und RaumArbeitskreistreffen des AK Religionsgeographie (1.12. und 2.12.2022; Bayreuth)

Die Teildisziplin der Religionsgeographie hat eine lange Tradition und starke Verankerung innerhalb der Sozial- und Kulturgeographie. Mit Blick auf Identifikationen und intersubjektive Konstellationen von Gemeinschaft und Gesellschaft ist Religion im Kanon kulturgeographischer Analysekategorien ebenso von Gewicht wie hinsichtlich sozialer Differenzen und Verortungen. Auch wenn religionsgeographische Arbeiten in jüngerer Zeit innerhalb der deutschsprachigen Humangeographie an Zentralität verloren haben, bleibt Religion in globaler Perspektive ein wesentlicher Teil konflikthafter Aushandlungsprozesse. Vor diesem Hintergrund möchte der reaktivierte Arbeitskreis Religionsgeographie mit dem Arbeitskreistreffen 2022 neue Impulse für die geographische Forschung setzen, indem die humangeographische Perspektive auf „Religion“ in konzeptioneller, methodologischer und epistemologischer Weise durch eine Fokussierung von „Kosmologien“ erweitert wird.

Wir rufen hiermit zur Einreichung von Abstracts zu wissenschaftlichen Beiträgen sowie kurzen Schlaglichtern, Postern oder Paneldiskussionen zur Thematik der Kosmologien und weiterer religionsgeographischer Themen auf.

Der Begriff der Kosmologien dient hier als offene Heuristik, um eine Reihe von Fragen rund um das narrative Ver-Orten, Verstehen, Begründen und Normieren menschlicher Existenz in Zeit, Raum sowie imaginierten und spirituellen Sphären zu adressieren. Diese Fragen betreffen erstens die Artikulation und Aushandlung konfligierender Formen der Zugehörigkeit und Identität, wie sie etwa in Kontexten der Globalisierung, Postkolonialität und Migration verstärkt zutage treten. Zweitens geht es um damit verbundene Ansprüche der Legitimität unterschiedlicher Verständnisse menschlicher Existenz und Verortungen in der Welt, etwa wenn bestimmte Kosmologien gegenüber anderen als ‚real‘, ‚legitim‘, ‚modern‘, ‚universell‘ oder ’nachhaltig‘ reklamiert werden. Drittens lädt die Frage nach Kosmologien zu einer Beschäftigung mit Ansätzen geographischer Wissensproduktion ein, die der Vielfältigkeit und Kontingenz aber auch der Machtförmigkeit existenzbezogener Narrative Rechnung tragen. Einen klassischen Anknüpfungspunkt bieten hier zunächst humanistisch-geographische und phänomenologische Arbeiten, die die Frage der Kosmologien mit der Untersuchung des Zuhauses („Home“) unterschiedlicher Gesellschaften auf dem Planeten Erde stellen (z. B. Tuan 1991, 1978, 1974). Mit Bezug zu Religion denkt der raumkonzeptionell arbeitende Theologe Sigurd Bergmann (2014) im Rahmen eines solchen Ansatzes den ‚ein-gelebten Raum‘ im Zusammenhang mit der ‚ein-gelebten Religion‘. Der Kulturgeograph Anton Escher (2004) fordert an der Schnittstelle von Raum, Ritual, Routine und Kosmologie das Verfassen von Karten kultureller Bedeutungen durch Geograph_innen ein, und der Religionswissenschaftler Thomas Tweed (2006) schlägt vor, Religion als ein „Überkreuzen von Grenzen und Wohnen“ („crossing and dwelling“) zu verstehen. Einen weiteren Zugang bieten durch den Ökofeminismus inspirierte Arbeiten, etwa im Anschluss an Donna Haraway (z.B. 2016), die unterschiedliche Formen des „worlding“ bezüglich ihrer machtvollen Effekte untersuchen. Viertens kann an kapitalismus- und rassismuskritische sowie dekoloniale Ansätze angeknüpft werden, die die Universalisierung westlicher Kosmologien grundlegend in Frage stellen und demgegenüber ein „pluriversales“ (Mignolo 2018) und „multiperspektivistisches“ (Viveiros de Castro 2012) Neudenken von Mensch-Welt-Bezügen einfordern (etwa Yusoff 2018). In Bezug auf all diese Ansätzen werden Kosmologien als narrative Weltbezüge erkennbar, die mittels Verweisen auf das Transzendente Ansprüche an Gesellschaft und Raum zu fixieren oder zu mobilisieren versuchen.

Die Heuristik „Kosmologie(n) und Raum“ weist eine Vielzahl an Schnittfeldern mit humangeographischen Forschungsfeldern auf. Um diese Thematik aus theoretischer und methodologischer Sicht zu erörtern, ruft der Arbeitskreis zu Beiträgen auf.

Mögliche Schwerpunkte können sein:

  • Verhältnisse von Raum, Kultur, Gesellschaft, Umwelt und Kosmologie
  • Kosmologische Narrative aus historischer wie gegenwartsbezogener Perspektive
  • Artikulationen hegemonialer und subalterner Kosmologien
  • Verschränkung von Kosmologien und des Politischen
  • Ver-Ortung von Selbst, Subjektivität und Kollektivität im Zeitalter globalisierter Räumlichkeit
  • Globale Übersetzungen und das globale Reisen raumkosmologischer Konzepte
  • Globaler Norden / Globaler Süden sowie Kolonialität und Dekolonialität aus raumkosmologischer Sicht betrachtet
  • Kosmologien und Stadtraum
  • Kosmologien rund um das Anthropozän, Kapitalozän oder Chtulhuzän

Darüber hinaus sind auch Beiträge willkommen, die andere Fragestellungen rund um das Verhältnis von Religion und Raum behandeln.

Das Arbeitskreistreffen „Kosmologie und Raum“ des AK Religionsgeographie findet unter der Leitung von Simon Runkel (Jena), Matthias Gebauer (Bayreuth), Jan Hutta (Bayreuth), Edgar Wunder (Hannover) und Frank Meyer (Dresden) am 1.12. und 2.12.2022 in Bayreuth statt. Beginn ist voraussichtlich um 14 Uhr am 1. Dezember (Drop-In) und Ende um 15 Uhr am 2. Dezember. Genaue Zeiten und Orte werden zum 01.11.2022 unter www.ak-religionsgeographie.de sowie an alle Einreichenden bekannt gegeben. Eine kostenpflichtige Registrierung wird online ab November möglich sein (ca. 25-60 €, gestaffelt).

Bitte senden Sie Ihre Abstracts für wissenschaftliche Vorträge (15-20 min) von max. 1 Seite Länge bis zum 31.08.2022 an religionsgeographie[at]tu-dresden[dot]de. Rückmeldungen über die Annahme erfolgen zum 30.09.2022. Sollten Sie Interesse daran haben, im Rahmen kurzer Schlaglichtbeiträge (5-10 min) oder als Poster aktuelle Projekte vorzustellen, so genügt eine kurze Ankündigung per E-Mail bis zum 31.10.2022 an o.g. E-Mail-Adresse. Darüber hinaus freuen wir uns über Vorschläge zu Panel- oder Diskussionsformaten, die möglichst bis 31.08.2022 eingereicht werden sollten.

Den Arbeitskreis kontaktieren …

Liebe Interessierte, aktuell befinden wir uns noch immer in der Umstrukturierung. Falls Sie oder Ihr Interesse habt, auf die interne Mailingliste gesetzt zu werden oder generell Anmerkungen und Fragen an das kommissarische Sprecherteam richten wollt, dann nutzt gerne das Kontaktformular auf dieser Seite, oder sendet eine E-Mail direkt an f_meyer@leibniz-ifl.de.

Kurzbericht Online-Symposium „Religion Matters!“ des AK Religionsgeographie

Am 6. April 2022 fand das Online-Symposium „Religion Matters!“ unter der derzeit kommissarischen Leitung des Arbeitskreises Religionsgeographie von Edgar Wunder (Hannover), Simon Runkel (Jena), Jan Hutta, Matthias Gebauer (beide Bayreuth) und Frank Meyer (Dresden) statt. Es fanden sich deutschsprachige Forschende religionsgeographischer Forschung zusammen, um aktuelle Ansätze und Projekte zu diskutieren. Gleichzeitig stellt diese Veranstaltung einen Neustart des DGFG-Arbeitskreises zur Religionsgeographie dar, nachdem sich Einige aus dem Leitungskreis zurückgezogen haben. Eine Reorganisation des Arbeitskreises ist anvisiert.

Nach einem kurzen Rückblick auf mehr als 40 Jahre Arbeit im AK Religionsgeographie durch Reinhard Henkel (Heidelberg) stellte Tristan Sturm (Belfast) in einer Keynote feministische Überlegungen zur gesellschaftlichen Rolle der Figur der „Prophetin“ in der Geschichte des westlichen Christentums vor, und stellte dabei auch zur Diskussion, inwieweit diese als Agent:innen des Wandels zu konzeptionalisieren seien.

In insgesamt sechs sog. Schlaglichtvorträgen wurden dann aktuelle Projekte präsentiert: Jan Hutta (Bayreuth) richtete den Blick auf die Verbindung zwischen evangelikaler Religiosität und rechter Politik in Brasilien und diskutierte die Bedeutung, die vergeschlechtlichter Subjektivierung in evangelikal geprägten brasilianischen Peripherien zukommt. Stefan van der Hoek (Jena) gab daran anknüpfend einen Einblick in seine Arbeiten zu v.a. pentekostalen brasilianischen Migrationskirchen und -gemeinden in Berlin sowie der Art ihrer Organisation, ihrer Finanzierung und ihres Wirkens. Franziska Sandkühler (Jena) präsentierte ihr Forschungsprojekt zu muslimischen Minderheitenorganisationen in Polen und diskutierte deren Beziehungen untereinander. Edgar Wunder (Hannover) stellte die geplante Kirchenmitgliedschaftsbefragung der EKD in Kooperation mit der katholischen Kirche vor, und ging dabei insbesondere auf methodische Entscheidungen und Auswertungsmöglichkeiten ein. Sungsoo Hong (Jena) diskutierte neue Raumordnungen und gegenwärtige Paradoxien als Herausforderung für religiöse Bildung. Zuletzt präsentierte Simon Runkel (Jena) unter dem Begriff der „Geodizee“ aktuelle Überlegungen zu diskursiven Überschneidungsfeldern zwischen Umwelttheologien und geographischen Debatten rund um das Anthropozän.

Abgerundet wurde das Symposium von einer Diskussion zu organisatorischen und strategischen Entscheidungen und Planungen im AK, die in den kommenden Jahren angesichts des Neustarts relevant werden: Hierbei wurden insbesondere eine geplante Sprecher:innenwahl unter Berücksichtigung von Kriterien der Diversität und eine baldige Präsenz-Arbeitskreistagung Ende 2022 diskutiert. Ebenso wurden perspektivische Handlungsfelder wie bspw. der nationalen und internationalen Vernetzung mit anderen Gesellschaften und Arbeitskreisen umrissen. Der Neustart des AK Religionsgeographie ist somit gelungen, und es wird hiermit auch zu weiterer Beteiligung und Engagement eingeladen. Eine neu aufgesetzte Webseite (www.ak-religionsgeographie.de) soll in der kommenden Zeit kontinuierlich erweitert werden und steht für die Kontaktaufnahme für alle Interessierten im Bereich der geographischen Religionsforschung zur Verfügung.

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